Vor über fünf Jahren begann der „Dieselskandal“ mit Enthüllungen in Sachen Volkswagen. Der Wolfsburger Autobauer verwendete eine Motorsteuerungs-Software, die Abgaswerte bei Zulassungstests manipuliert hatte. Die Klagewelle ist noch nicht beendet, auch andere Hersteller wie Daimler oder Audi gerieten in den Fokus. Nun endlich hat auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache C-693/18 diese Software zur Schönung von Abgaswerten bei Zulassungstests für illegal erklärt.
Das Gericht stellt nochmals klar, dass ein Hersteller keine Abschalteinrichtung verwenden darf, die im Zulassungsverfahren die Leistung des Emissionskontrollsystems beeinflusst. Auch der Schutz vor Verschleiß oder Verschmutzung des Motors rechtfertige eine solche Abschalteinrichtung nicht.
In dem EuGH-Verfahren ging es um eine Software, die erkennt, ob ein Fahrzeug für Zulassungstests im Labor (Prüfstand) geprüft wird. Während der Tests ist die so genannte Abgasrückführung voll aktiviert, die den Ausstoß von Stickoxiden verringert. Im Normalbetrieb wird die Abgasrückführung dann aber zurückgefahren, die Abgase enthalten mehr Stickoxide als erlaubt.
Solche Abschalteinrichtungen sind nach europäischem Recht grundsätzlich unzulässig, es gibt aber Ausnahmen, wenn die Abschalteinrichtung nötig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Die Frage war daher, fällt diese Software unter die Ausnahme? Nachdem schon die Generalanwältin am EuGH, Eleanor Sharpston, diese Frage in ihrem Gutachten im Frühjahr eindeutig verneint hatte, folgt der EuGH dieser Einschätzung nun.
Das Urteil betrifft nicht nur die spezifische Software-Lösung von Volkswagen, sondern prinzipiell alle Hersteller, die Abschalteinrichtungen verwenden. So sind beispielsweise auch so genannte „Thermofenster“ illegal, die die Abgasrückführung nur in einem bestimmten Temperaturbereich (z.B. zwischen 15 und 30 Grad Celsius) voll aktivieren und außerhalb dieses Bereichs einschränken. Diese bei Fahrzeugherstellern leider völlig gängige Praxis wird nun für rechtswidrig erklärt.
Die praktischen Folgen liegen auf der Hand: Noch mehr Fahrzeugkäufer können sich nun Hoffnung darauf machen, dass sie ihre so ausgestatteten Fahrzeuge zurückgeben und ihr Geld zurückerhalten können. Denn nachdem bereits zahlreiche Landgerichte und auch Oberlandesgerichte solche illegalen Abschalteinrichtungen zum Anlass nahmen, Daimler & Co. die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung ihrer Kunden vorzuwerfen, werden sich dem nun hoffentlich noch weitere Gerichte anschließen.
Betroffene sollten sich schnellstmöglich an einen fachkundigen Rechtsanwalt wenden, denn die Verjährung der Ansprüche droht zum Jahresende.