Können im Abgasskandal Schadensersatzansprüche aufgrund der Thermofenster, die Daimler bei zahlreichen Mercedes-Dieselmodellen verwendet, wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung geltend gemacht werden? Zu dieser Frage bezog nun erstmals des BGH mit Beschluss vom 19. Januar 2021 Stellung (Az.: VI ZR 433/19).
Demnach kann Sittenwidrigkeit vorliegen, wenn noch weitere Umstände hinzukommen und beispielsweise gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im Typengenehmigungsverfahren unvollständige oder unzutreffende Angaben zur Funktionsweise des Abgasreinigungssystems gemacht wurden. Die Verwendung eines Thermofensters allein rechtfertige noch nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit, so der BGH.
Auch wenn der BGH damit noch keine Entscheidung getroffen hat, so hat er die Verbraucherrechte im Mercedes-Abgasskandal doch erheblich gestärkt. Denn die Gerichte dürfen den Vorwurf einer vorsätzlichen Schädigung aufgrund eines Thermofensters nicht einfach zurückweisen, wenn der Kläger dafür hinreichend greifbare Anhaltspunkte liefert.
Genau das hatte der Kläger nach Ansicht des BGH getan. Er hatte auf Schadenersatz geklagt, weil in seinem Mercedes C 220 CDI mit dem Dieselmotor OM 651 und der Abgasnorm Euro 5 eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters bei der Abgasreinigung verwendet werde. Gegenüber dem KBA habe Daimler diese Funktion verschleiert, so der Kläger.
Das OLG Köln hatte die Klage zurückgewiesen. Der Kläger habe keine Anhaltspunkte für Sittenwidrigkeit dargelegt. Damit habe das OLG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, rügte der BGH. Es hätte in die Beweisaufnahme intensiver einsteigen müssen und den Vorwürfen des Klägers, dass Daimler gegenüber dem KBA unzutreffende Angaben gemacht hat, nachgehen müssen.
Das muss das OLG Köln nun nachholen und den Fall unter diesem Gesichtspunkt neu aufrollen. Dann wird sich auch Daimler im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast äußern müssen. Man darf gespannt sein, ob Daimler die Karten auf den Tisch legt und aussagefähige Unterlagen zur Kommunikation mit dem KBA hinsichtlich der Funktionsweise des Thermofensters vorlegt. Bisher hat Daimler hier immer gemauert, doch mit dieser Taktik wird Daimler den Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung nicht widerlegen können.